Köln im Fokus
In Köln wird bereits vieles unternommen, um Menschenrechte zu schützen und zu gewährleisten. Es zeigt sich in Ratsbeschlüssen, städtischen Konzepten, Aktionsplänen und Maßnahmen ebenso wie in der Beteiligung der Stadt an wichtigen nationalen und internationalen Initiativen. Bürgerschaftliches Engagement und eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Strukturen sind Motor für Verbesserungen und Korrektiv bei Fehlentwicklungen. Und doch gibt es Verbesserungsbedarf. Er kann gezielter angegangen werden, wenn Köln Menschenrechtsstadt wird. Was dies für einzelne Themenbereiche sowie für städtische Strukturen bedeuten kann, wollen wir als INITIATIVE MENSCHENRECHTSSTADT KÖLN – gemeinsam mit anderen – konkretisieren und zur Diskussion stellen.
Überblick
Köln – Menschenrechtlich ambitioniert, mit Luft nach oben
Die Möglichkeit, unterschiedliche Lebensentwürfe und Vielfalt offen zu leben, hat in Köln und für das Selbstverständnis der Stadt und der Stadtgesellschaft einen besonders hohen Stellenwert. Dass Köln menschenrechtlich ambitioniert ist, zeigt sich auch in der Beteiligung an wichtigen nationalen und internationalen Initiativen:
- 2017 gewann Köln, auch aufgrund eines breit verankerten bürgerschaftlichen Ansatzes, den Wettbewerb ↑ Hauptstadt des Fairen Handels.
- 2018 wurde Köln als erste deutsche Millionenstadt für die Bemühungen um eine konsequente Umsetzung der ↓ UN-Kinderrechtskonvention mit dem Siegel ↑ Kinder- und jugendfreundliche Kommune ausgezeichnet. Im Herbst 2019 hat Köln gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) den ersten weltweiten ↑ Child Friendly Cities Summit ausgerichtet.
- Der ↓ 2. Kölner Gleichstellungsaktionsplan (2019-2021), der die Bereiche Bildung, Gesundheit und soziale Kohäsion in den Vordergrund rückt, greift Impulse aus der ↓ Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene auf, der Köln 2011 beigetreten ist.
- Anfang 2019 erklärte der Rat der Stadt – auf Initiative der Bewegung ↑ Seebrücke – Köln zum ↑ Sicheren Hafen. Damit verbunden ist die Bereitschaft zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen, über die bestehende Verteilungsquote Asylsuchender hinaus. Im Februar 2020 erklärte sich die Stadt in einem weiteren ↑ Ratsbeschluss zudem bereit, weitere, in Auffanglagern auf den griechischen Inseln festsitzende Flüchtlinge, darunter unbegleitete Kinder, aufzunehmen. Die Umsetzung dieser Selbstverpflichtungen scheitert bislang an der restriktiven Position der Bundesregierung.
Zu einer Reihe von weiteren Menschenrechtsthemen sind in den letzten Jahren immer wieder Ratsbeschlüsse gefasst sowie Handlungskonzepte, Aktionspläne und Projekte beschlossen worden, darunter mehrfach zur lokalen Umsetzung der ↓ UN-Behindertenrechtskonvention. Die Tagesordnungen des Ratsausschusses für Soziales und Senioren sind voll von Themen, die menschenrechtlich relevant sind, meist ohne, dass dies explizit so benannt wird. Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Sicherstellung und Schaffung von angemessenem Wohnraum in der wachsenden Stadt, die Verbesserung der Situation von wohnungslosen Menschen, die ärztliche Versorgung in Pflegeeinrichtungen, der Schutz von Menschen in der Prostitution, die Bleiberechtsperspektiven für langjährig geduldete Menschen in Köln und die Förderung von Migrant*innen-Selbstorganisationen und rassismuskritischen Projekten.
In den internationalen Beziehungen Kölns spielen die Menschenrechte ebenfalls eine Rolle:
- Köln beteiligt sich an Städtenetzwerken mit menschenrechtlichem Fokus, darunter an der von der UNESCO initiierten ↑ Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) und am ↑ Rainbow Cities Network, einem Zusammenschluss von Städten, die eine aktive Politik für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen betreiben.
- Einige der internationalen Partnerstädte Kölns – darunter Peking, Corinto, Wolgograd und Istanbul – liegen in Ländern, in denen es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen kommt. Auch deshalb hat der Rat der Stadt die Verwaltung beauftragt, ein Umsetzungskonzept für die Stärkung der menschenrechtlichen Verantwortung in der Städtepartnerschaftsarbeit zu entwickeln. Stand Herbst 2021 befindet sich der finale Entwurf im Abstimmungsprozess.
- Die Stadt prüft Möglichkeiten, Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich in ihren Heimatländern in Gefahr befinden, für begrenzte Zeit in Köln Schutz und Unterstützung zu bieten – ähnlich wie in dem in den Niederlanden entwickelten ↑ Shelter Cities Projekt.
In Köln existiert über alle Ebenen bis hinauf zur Stadtspitze ein überwiegend konstruktives, menschenrechtsfreundliches politisches Umfeld, auch wenn dieses Merkmal der Stadt – wie in anderen deutschen Kommunen – durch Rechtspopulist*innen und antidemokratische politische Kräfte herausgefordert wird. Wichtige Beschlüsse, die menschenrechtliche Implikationen haben, werden im Rat der Stadt oft von den demokratischen Parteien gemeinsam gefasst. Ein starkes bürgerschaftliches Engagement und vielfältige zivilgesellschaftliche Initiativen und Strukturen sind sowohl Motor für Verbesserungen als auch Korrektiv für Fehlentwicklungen. Der Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ist in vielen Bereichen eng und zum Teil in Stadtarbeitsgemeinschaften (z.B. ↑ Lesben, Schwule und Transgender; ↑ Behindertenpolitik), Runden Tischen (z.B. ↑ Runder Tisch für Integration), Arbeitskreisen und Netzwerken institutionalisiert.
Verschiedene in Köln beheimatete Institutionen, darunter Hochschulen und Forschungseinrichtungen, der ↑ Landschaftsverband Rheinland oder das ↑ NS-Dokumentationszentrum, verfügen über fundierte menschenrechtliche Expertise und erfüllen für die Menschenrechte wichtige Bildungsaufträge. An der Universität Köln wird aktuell eine ↑ Akademie für Europäischen Menschenrechtsschutz aufgebaut. An der TH Köln spielen Menschenrechte und Menschenrechtsansätze vor allem in den ↑ Angewandten Sozialwissenschaften eine wichtige Rolle. Viele Akteur*innen, Organisationen und Einrichtungen im Kulturbereich greifen aktuelle politische und kulturelle Themen auf, entwickeln neue Konzepte und initiieren neue Kooperationen, um Barrieren zur Teilhabe and Kunst und Kultur abzubauen oder auch um interkulturelle Veränderungsprozesse aufzugreifen.
Projektvision „Kölner Menschenrechtsfokus“
Und doch gibt es in Köln in vielen Feldern einen Bedarf und auch Spielräume, menschenrechtliche lokale Handlungsmöglichkeiten noch besser zu nutzen. Köln zur Menschenrechtsstadt zu erklären wäre hierfür ein wirksamer Hebel und würde einen übergreifenden Rahmen schaffen.
Was dies konkret bedeuten kann, wollen wir als INITIATIVE MENSCHENRECHTSSTADT KÖLN – gemeinsam mit anderen – aufarbeiten und zur Diskussion stellen. Themenfeld für Themenfeld wollen wir den Menschenrechtsfokus der Stadt scharf stellen, um das große Potenzial von Köln als Menschenrechtsstadt aufzuzeigen und um eine Vision von Köln als Menschenrechtsstadt zu entwickeln, die inspirierend, aber auch realistisch ist. Auf diese Weise wird die Diskussion über die Menschenrechtsstadt vom Kopf auf die Füße gestellt!
- Worin besteht bei dem jeweiligen Themenfeld die lokale menschenrechtliche Verantwortung?
- Welche internationalen und nationalen Menschenrechtsdokumente setzen den Rahmen?
- Was gibt es Interessantes und Inspirierendes in anderen Städten?
- Wo steht Köln? Was wird diskutiert? Was passiert aktuell? Was ist geplant?
- Wie sind Menschenrechte institutionell in der Verwaltung verankert? Gibt es Stellen mit einer Querschnittszuständigkeit?
- Welche aussagekräftigen Zahlen, Daten und Berichte zur Verwirklichung der Menschenrechte in Köln gibt es – und welche Wissenslücken?
- Welche Beschlüsse, Konzepte, Aktionspläne, Projekte und Maßnahmen sind relevant?
- Welche Veränderungsbedarfe gibt es?
- Was wären geeignete Selbstverpflichtungen für Köln als Menschenrechtsstadt?
Themen im Fokus
Die Vielfalt der lokalen Themen, auf die sich ein menschenrechtlicher Fokus richten lässt, ist groß. Darunter befindet sich Geläufiges wie das Recht auf Wohnen oder Bürger*innenbeteiligung sowie die Rechte spezifischer Gruppen wie Kinder, Frauen und Menschen mit Behinderungen. Hinzu kommen neue Themenverbindungen wie digitale Rechte oder menschenrechtliche Aspekte der Nachhaltigkeit sowie Internationales, etwa Menschenrechte in den Städtepartnerschaften, Schutzaufenthalte für gefährdete Menschenrechtsverteidiger*innen oder die Unterstützung von im Ausland aus politischen Gründen inhaftierten Kölner*innen. Ebenso wichtig sind Strukturen und Prozesse, die benötigt werden, damit das städtische Handeln noch stärker an den Menschenrechten ausgerichtet werden kann. Die Liste ist nicht abschließend, sondern offen für Ergänzungen und Erweiterungen.