FAQ – Häufig gestellte Fragen
Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten ist Aufgabe aller Regierungs- und Verwaltungsebenen. Auch Städte müssen in ihren Kompetenzbereichen dafür sorgen, dass menschenrechtliche Verpflichtungen umgesetzt werden, die der Staat mit dem Beitritt zu internationalen Abkommen übernommen hat. In Deutschland sind Städte und Gemeinden außerdem durch das Grundgesetz verpflichtet, die Menschenrechte zu achten; sie sind, wie der Bund und die Länder, „grundrechtsverpflichtet“.
Die kommunale menschenrechtliche Verantwortung erstreckt sich auf eine Vielzahl von Bereichen. Dazu gehören z.B. Bildung und Kinderbetreuung, Wohnen, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz, der Zugang zu Kultur, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, die Sicherheit im öffentlichen Raum sowie die Gestaltung eines friedlichen Zusammenlebens von Menschen verschiedener Kulturen, Religionen und Nationalitäten, frei von Diskriminierung und Rassismus. Wichtige menschenrechtliche Querschnittsaufgaben ergeben sich für Städte zudem aus internationalen Menschenrechtsdokumenten, die den Rechten bestimmter Gruppen gewidmet sind (z.B. Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen sowie LGBTI-Personen).
Die städtische menschenrechtliche Verantwortung betrifft Rechte aus allen drei „Generationen“ von Menschenrechten: (i) klassische bürgerliche Freiheits- und Beteiligungsrechte, (ii) wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie (iii) Rechte der sogenannten „dritten Generation“, die jüngeren Datums sind und noch kaum in Vertragswerken konkretisierte Rechte bezeichnen, wie etwa das Recht auf eine saubere Umwelt oder digitale Rechte. Die verschiedenen Rechte bedingen sich gegenseitig und gehören untrennbar zusammen.
Ihre Verantwortung für die Menschenrechte kann eine Stadt in verschiedenen Rollen wahrnehmen: als Erbringerin von Dienstleistungen, als Ort demokratischer Beteiligung, als Arbeitgeberin, als öffentliche Auftraggeberin, als Gestalterin des örtlichen Rechtsrahmens und in ihren internationalen Städtepartnerschaften und Kooperationen.
Sich an den Menschenrechten zu orientieren nützt Städten auf vielfältige Weise. Für die Analyse der Lebenslagen der Bewohner*innen der Stadt und ihrer Veränderung liefern die Menschenrechte wichtige Prüfsteine und Indikatoren. Der städtischen Politik können sie als Bezugsrahmen und Inspiration dienen, insbesondere bei der Zuteilung von Ressourcen und dem Ausgleich von Interessen. Ein starker Fokus auf die Menschenrechte sorgt für eine gerechtere und stabilere städtische Ordnung. Dies wiederum schärft das Bewusstsein für den Wert lokaler Demokratie und kommunaler Selbstverwaltung. Menschenrechte haben eine verbindende Kraft und bilden ein Dach, unter dem viele Akteur*innen auf lokaler Ebene zusammengebracht werden können. Sie stimulieren Dialog und neue Kooperationen, sowohl unter verschiedenen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Gruppen als auch mit der städtischen Politik und Verwaltung. Der städtische Bezug auf die Menschenrechte kann außerdem einen Wirtschaftsfaktor darstellen.
Ein breites Spektrum an Menschenrechten kann ohne aktives lokales Engagement gar nicht verwirklicht werden. Es gibt auch kaum bessere Möglichkeiten, die Bedeutung der Menschenrechte praktisch zu vermitteln, als auf der lokalen Ebene. Denn lokal wird der Grad der Realisierung – oder Vorenthaltung – der Menschenrechte sichtbar und lässt sich konkret erfahren, wie durch ein menschenrechtsbasiertes Vorgehen Gestaltungsmöglichkeiten für die alltägliche Problemlösung erweitert werden. Wo Menschenrechte in den lokalen Kontext „übersetzt“ werden, entstehen auch neue Ideen und innovative Lösungen, die die Menschenrechtspraxis bereichern. Zudem bilden Städte, die sich in ihrem Handeln bewusst und ausdrücklich auf die Menschenrechte beziehen, einen zunehmend wichtigen Gegenpol zu nationalistischen und rechtspopulistischen nationalen Regierungen und zu internationalen Entwicklungen, durch die die Menschenrechte in Frage gestellt werden.
Zum einen wächst die Zahl der Städte, die sich in ihrem Handeln – entweder in spezifischen Feldern oder übergreifend – bewusst und ausdrücklich auf die Menschenrechte beziehen. Dies zeigt sich z.B. in der zunehmenden Verwendung menschenrechtlicher Labels (siehe die Frage zu Labels weiter unten) und im Engagement in internationalen menschenrechtlichen Städtenetzwerken. Zum anderen kommt die Forderung, mehr dafür zu tun, dass die Menschenrechte auch auf lokaler Ebene respektiert, geschützt und gewährleistet werden, immer deutlicher aus den internationalen Organisationen, die für den Menschenrechtsschutz eine besondere Verantwortung tragen: aus dem ↑ Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und dem ↑ UN-Hochkommissariat für Menschenrechte sowie aus dem ↑ Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats. In der Europäischen Union ist die lokale Verwirklichung der Menschenrechte vor allem für die ↑ Agentur für Grundrechte ein Thema.
Menschenrechtsstadt zu werden oder zu sein ist ein lokal getriebener, stadt- und gesellschaftspolitischer Prozess. In Menschenrechtsstädten nehmen die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aller Einwohner*innen einen zentralen Platz ein. Die demokratisch legitimierten städtischen Gremien bekennen sich explizit – in der Regel durch einen formalen Beschluss – zu den Menschenrechten als Standards und Leitprinzipien der lokalen Regierungsführung, der Entwicklung der Stadt und eines solidarischen Zusammenlebens. Gemeinsam arbeiten Politik, Verwaltung, Stadtgesellschaft und soziale, kulturelle und andere Einrichtungen daran, dass diese Selbstverpflichtung praktische Folgen hat – bei der Analyse von Problemen und dem Verständnis ihrer Ursachen, bei der Gestaltung von Entscheidungsprozessen und auf der Ebene von Strukturen und Institutionen, Konzepten, Plänen und Projekten – und sich z.B. in einer wirksameren Verhinderung und Beseitigung von ungleichen Chancen und Diskriminierung in einem breiten Spektrum von Themenbereichen niederschlägt.
Die Themen und Schwerpunkte, die Menschenrechtsstädte vorrangig angehen, sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Allen gemeinsam ist aber ein Fokus auf menschenrechtliche Prinzipien wie Nichtdiskriminierung, Inklusion und Partizipation. Dies wird oft verbunden mit einem verstärkten Engagement im Bereich Menschenrechtsbildung oder beim Monitoring der menschenrechtlichen Situation in der Stadt. Viele Menschenrechtsstädte schaffen ein spezielles Gremium für ihre Menschenrechtsarbeit, z.B. ein Menschenrechtsbüro oder einen Menschenrechtsbeirat.
Nein, die Selbstdeklaration zur Menschenrechtsstadt bringt keine zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen mit sich. Ihre Wirkung ist vor allem politischer Natur.
Eine verlässliche, allgemein anerkannte aktuelle Zahl der bestehenden Menschenrechtsstädte gibt es nicht. Dies liegt insbesondere an der fehlenden Standardisierung des Prozesses, wie eine Stadt zur Menschenrechtsstadt wird, und am Fehlen einer internationalen Struktur, die die relevanten Informationen dazu sammelt und nachhält. Der ↑ Wikipedia-Artikel zu Human Rights Cities nennt weltweit 42 Städte, die sich formell zu Menschenrechtsstädten erklärt haben. Es gibt aber eine Reihe weiterer Städte, die z.B. die ↓ Europäische Charta für den Schutz der Menschenrechte in der Stadt oder die ↓ Global Charter-Agenda for Human Rights in the City unterschrieben haben, ohne sich formell auch zur Menschenrechtsstadt zu deklarieren.
Unter den 22 internationalen Partnerstädten von Köln befindet sich mit Barcelona auch eine Menschenrechtsstadt. Weltweit haben nur wenige Städte ein ähnlich starkes menschenrechtliches Profil.
↓ Menschenrechts-Programm der Stadtregierung von Barcelona
↓ Methodischer Leitfaden zum Menschenrechtsansatz Barcelonas
Nein, das Konzept der Menschenrechtsstadt ist offen und flexibel. So kann jede Stadt dem Label ihren eigenen lokalen Inhalt geben: eigene Prioritäten setzen und einen eigenen Kern von Bedeutung und Praxis herausarbeiten, der mit der eigenen besonderen Geschichte und Situation im Einklang ist. Solchen Unterschieden Raum zu geben, ist ein Schlüsselaspekt der „Lokalisierung“ der Menschenrechte.
Bislang gibt es solche Kriterien noch nicht. Die ↑ Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) arbeitet aber daran und beabsichtigt, im Sommer 2021 einen sogenannten Verpflichtungsrahmen („Framework of Commitments“) für Menschenrechtsstädte vorzulegen. Die Initiative Menschenrechtsstadt Köln ist an der informellen Arbeitsgruppe der FRA beteiligt, die dieses Dokument vorbereitet.
Noch gibt es keine solche Einrichtung. Der Verpflichtungsrahmen für Menschenrechtsstädte, den die ↑ Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) derzeit vorbereitet, wird aber voraussichtlich auch einen Monitoring-Mechanismus beinhalten. Aktuell werden verschiedene denkbare Modelle eines solchen Mechanismus diskutiert.
Es gibt verschiedene Netzwerke und Strukturen, in denen sich Vertreter*innen von Menschenrechtsstädten austauschen. Hierzu zählen insbesondere das ↑ Human Rights Cities Network, das jährlich in der Menschenrechtsstadt Gwangju (Südkorea) ausgerichtete ↑ World Human Rights Cities Forum sowie das ↑ Committee on Social Inclusion, Participatory Democracy and Human Rights von UCLG, dem weltweiten Dachverband von Städten und Gemeinden.
Ja, es gibt eine Reihe von weiteren Labels, die sich auf Menschenrechte und menschenrechtlich relevante Themen beziehen. Sie sind in der Regel auf ein spezifisches Themenfeld fokussiert und bringen städtische Akteur*innen dazu in Netzwerken und Bündnissen zusammen. Die Impulse hierfür gehen oft aus der Zivilgesellschaft aus, aber auch von internationalen Organisationen. Beispiele sind ↑ Rainbow Cities (Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen), ↑ Child Friendly Cities (Kinderrechte), ↑ Cities for Digital Rights (Digitale Rechte), ↑ Fair Trade Towns (Fairer Handel) sowie mehrere Labels, die mit zivilgesellschaftlichen Initiativen für die Aufnahme von Flüchtlingen und für die Sicherung des Aufenthaltsstatus und des Bleiberechts von allen Bewohner*innen der Stadt verbunden sind (z.B. ↑ Solidarity Cities oder ↑ Sichere Häfen). Köln ist Rainbow City, Child Friendly City, Fair Trade Town und Sicherer Hafen.
Auch Städte, die sich nicht zur Menschenrechtsstadt erklären, übernehmen Verantwortung für Menschenrechte. Menschenrechtsstadt zu sein schafft aber eine Reihe von wichtigen zusätzlichen Handlungsmöglichkeiten, um die Menschenrechte in der Stadt noch wirksamer zu schützen und zu gewährleisten. Mit der Selbstverpflichtung als Menschenrechtsstadt
- entsteht ein übergreifender Rahmen, in dem die bereits bestehenden menschenrechtsbezogenen Maßnahmen der Stadt sowie neue zusammengeführt, kohärenter gestaltet und besser als solche gekennzeichnet und präsentiert werden können
- vergrößern sich die Möglichkeiten, allen Bewohner*innen der Stadt sowie den städtischen Amts- und Mandatsträger*innen den Wert der Menschenrechte für das Alltagsleben, für das friedliche Zusammenleben und die Lebensqualität in der Stadt auf eine praktische Weise bewusst zu machen und so eine positive Identifikation mit den Menschenrechten zu fördern
- besteht eine deutlich größere Chance, einen langfristigen Ansatz zur Umsetzung der Menschenrechte in der Stadt verfolgen zu können, über kommunale Wahlzyklen und eventuelle politische Wechsel hinaus
- wird nach innen – innerhalb der eigenen Stadt – ein klares Signal gesendet, bei der Lokalisierung der Menschenrechte einen noch höheren Anspruch an sich selbst zu stellen, u.a. durch die Nutzung von menschenrechtsbasierten Ansätzen, Werkzeugen und Instrumenten sowie durch die Bereitschaft, über die Umsetzung der Selbstverpflichtungen Rechenschaft abzulegen und Ergebnisse zu evaluieren
- werden nach außen Impulse für andere Städte und für die nationale und internationale Diskussion über die Realisierung der Menschenrechte auf lokaler Ebene gegeben.
Für den Prozess, eine Menschenrechtsstadt zu werden, gibt es keinen Masterplan, keine verbindliche Schrittfolge und keine Frist. Jede der bestehenden Menschenrechtsstädte ist ihren eigenen Weg gegangen, ausgehend von ihren lokalen Bedingungen. Die Initiative kann dabei sowohl aus der Stadtgesellschaft kommen, als auch von städtischen Amts- oder Mandatsträger*innen ausgehen. Formal betrachtet entsteht eine Menschenrechtsstadt in der Regel in dem Moment, in dem die zuständigen kommunalen Entscheidungsträger*innen die Stadt explizit zur Menschenrechtsstadt erklären. Mitunter wird dies mit der Verabschiedung einer selbstverfassten Deklaration verbunden oder mit einem Programm, in dem skizziert wird, auf welche Maßnahmen und Impulse es der Stadt besonders ankommt. Üblicherweise mobilisiert der Weg zur Menschenrechtsstadt eine Vielzahl von Akteur*innen: zivilgesellschaftlich Engagierte, Kommunalpolitiker*innen, Bedienstete der städtischen Verwaltung sowie Menschen in sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, zwischen denen schrittweise eine gemeinsame Vision von der Stadt als Menschenrechtsstadt wächst. Der passende Zeitpunkt für die Selbsterklärung zur Menschenrechtsstadt ist am Beginn des Prozesses noch nicht klar zu bestimmen. Er schält sich erst mit der Zeit in dem Maße heraus, in dem zwischen den Akteur*innen ein ausreichend klares Verständnis über die Vision entsteht, die man gemeinsam verwirklichen will.
Köln verfügt über großes Potenzial zur Menschenrechtsstadt. Über alle Ebenen bis hinauf zur Stadtspitze existiert ein überwiegend konstruktives, menschenrechtsfreundliches politisches Umfeld. Ein starkes bürgerschaftliches Engagement und vielfältige zivilgesellschaftliche Initiativen und Strukturen sind sowohl Motor für Verbesserungen als auch Korrektiv für Fehlentwicklungen. Der Dialog zwischen Stadt (Politik und Verwaltung) und Zivilgesellschaft ist in vielen Bereichen eng und nicht selten in Stadtarbeitsgemeinschaften, Arbeitskreisen, Runden Tischen und Netzwerken institutionalisiert.
Die Möglichkeit, unterschiedliche Lebensentwürfe und Vielfalt offen zu leben, hat in Köln und für das Selbstverständnis der Stadt und der Stadtgesellschaft einen hohen Stellenwert. Dass Köln menschenrechtlich ambitioniert ist, zeigt sich auch in der Beteiligung an wichtigen nationalen und internationalen Initiativen und vielen vom Rat der Stadt verabschiedeten Handlungskonzepten, Maßnahmenplänen und Projekten. In den internationalen Beziehungen und Städtepartnerschaften Kölns spielen die Menschenrechte ebenfalls eine Rolle.